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Teil III - Praxis

3.3. Politische Bildung im Web 2.0

von: Christine Streichert-Clivot, Bildungsbeauftrage des SPD-Landesverbandes Saar

I. Moderne politische Bildungsarbeit

Denkt man an politische Bildung mit Jugendlichen und Erwachsenen haben wir in der Partei oft noch die klassische Workshop-Veranstaltung vor Augen in einem Seminarraum, meist am Wochenende, begleitet von gemeinsamen Essen und abendlicher Geselligkeit. Dass politische Bildung auch anders geht, wesentlich vielfältiger in ihren Angebotsformen sein und neue Wege gehen kann, soll der folgende Beitrag deutlich machen: Wie kann das sogenannte Web 2.0 für die Bildungsarbeit genutzt werden?

„Web 2.0“ steht synonym für einen Wandel der Online-Welt durch sogenannte Social Software. Sie bringt Menschen via Internet miteinander in Verbindung, schafft neue Kommunikationswege, neue Formen der Kooperation und Kollaboration. Üblicherweise werden unter dem Begriff Web 2.0 Anwendungen verstanden wie Facebook, Twitter – soziale Netzwerke. Diese sind wichtig, aber das Netz bietet noch weitere interessante Anwendungen, die im Kontext der Bildungsarbeit gewinnbringend eingebracht werden können. Im Web-2.0-Internetzeitalter stehen viele Anwendungen kostenlos zur Verfügung und erleichtern die alltägliche politische Arbeit. Mit Hilfe von Web 2.0 können handlungsorientierte Lernprozesse angestoßen werden, ohne dass sich eine Gruppe von Menschen an einem Ort für eine bestimmte Zeit physisch zusammen findet. Das Internet wird zu einem Partizipationsraum, der gleichberechtigt neben den traditionellen Bildungsräumen stehen kann. Wird das Internet als Zugangsmöglichkeit für politische Bildung verschmäht, entgehen uns neue Zielgruppen, interessante Diskussionen und die Nutzung kollektiv erstellter Inhalte.

Aber welche Ziele hat politische Bildungsarbeit und wie lassen sich diese mit dem Web 2.0 vereinbaren? Die vorliegende Darstellung versucht praxisorientierte Beispiele der Bildungsarbeit mit Hilfe von Internetanwendungen darzulegen.

II. Web 2.0 – der Mensch als Lerner im Mittelpunkt

Seit 2005 treiben die Technologien des Web 2.0 die Veränderung der Internetnutzung voran. Von einst rein statisch genutzten Websites vollzog sich ein Wandel hin zu sehr dynamischen, untereinander stark vernetzten und vom Nutzer selbst gestalteten Seiten. Der Nutzer und die Herstellung seines Beziehungsnetzwerkes stehen im Vordergrund.

Lernen in digitalen Räumen verändert das Rollenverständnis der Lernenden:Statt passive Aufnahme von Inhalten auf Internetseiten, wird der Lerner zum Produzent von Texten (in Blogs und Kommentaren) und zum Mitgestalter von Wissensnetzwerken. Der Vorteil sozialer Netzwerke liegt darin, in kurzer Zeit thematisch orientierte Kontakte zu Menschen in der ganzen Welt herzustellen, sich auf günstigem Wege Zugang zu politischem Wissen zu verschaffen, ohne große Ressourcen zu mobilisieren. Den Nutzern steht im „Mitmachnetz“ ein hohes Maß an Gestaltungs- und Kommunikationsinstrumenten zur Verfügung, die keine spezifischen Informatikfachkenntnisse brauchen, sondern mit einer soliden Computerkenntnis einen schnellen und einfachen Zugang erlauben.

Politische Bildung kann daher zunächst vom Lernenden aus betrachtet sehr autonom stattfinden. Der Lernprozess wird vom Lernenden bestimmt und nicht von einer Institution, er ist selbstgesteuert und orientiert sich an persönlichen Bedürfnissen, oder den Interessen des Netzwerks, in dem sich der Lernende bewegt. Der Lernprozess ist kooperativ und auf Dialog ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund kann man also feststellen, dass Menschen sich politisch bilden können, ohne eine Bildungsstätte zu betreten. Diese Erkenntnis gilt es für die Parteiarbeit zu nutzen, um sich neue Zielgruppen zu erschließen und neue Wege der Kommunikation zu finden, die die alltägliche Gremienarbeit entlasten können.

III. Zielgruppe der politischen Bildung im Web 2.0 – kritischer Umgang bleibt erforderlich

Fragt man nach der Bedeutung informellen Lernens im Web 2.0 für die politische Erwachsenenbildung, darf ein Blick auf die Gruppe der Nutzerinnen und Nutzer nicht ausbleiben. 2007 verwendeten 7% der Gesamtbevölkerung Web 2.0 mindestens einmal pro Woche, 5% sogar täglich. Demgegenüber steht die Mehrzahl der Onliner – 47 % - die keine Web-2.0-Anwendungen nutzen. 2009 verändern sich diese Zahlen allerdings nur geringfügig. Nach Ergebnissen der ARD/ZDF-Onlinestudie bleibt für zwei Drittel der Internetnutzer „… das Produzieren von user-generated content schlicht uninteressant“ (Busemann/ Gescheidle 2009, S. 357). Noch werden die Angebote vor allem von der jüngeren Generation der Unter-30-jährigen genutzt. „Je jünger die Onliner, desto intensiver nutzen sie das Mitmachnetz“ (ebd., S. 360).

Als eine der wichtigsten Herausforderungen politischer Bildung wird die Fähigkeit zur Teilhabe an politischen Diskursen und damit der Willensbildung bezeichnet (Vgl. Becker/ Krüger 2009, S. 638). Veranstaltungen der politischen Erwachsenenbildung erreichen lediglich 1% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland (Vgl. Sander 2010, S. 241). Sozialwissenschaftliche Forschungen legen offen, dass rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung als ‚politikfern‘ bezeichnet werden kann (Vgl. Becker/ Krüger 2009, S. 638). Die Nutzung digitaler Medien wird daher als Chance begriffen, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Auch der sprachliche Zugang kann bei einigen Anwendungen zu einem Problem werden. Viele Internetanwendungen, darunter auch einige die im Folgenden vorgestellt werden, sind nur in englischer Sprache verfügbar. In der Regel reichen Grundkenntnisse aus, diese Software zu bedienen, ein Hindernis im kollaborativen Einsatz kann die Hürde dennoch darstellen.

KritikerInnen der Nutzung des Internets für die politische Bildung merken an, dass „… Segregationsmechanismen, (die) dem Medium inhärent sind (…) zu einer Unterrepräsentanz unterer Bildungsschichten führen“ (Jelich 2003, S. 74). Nicht nur auf der technischen Ebene können Netzanschlusskosten oder Hardwarepreise als Zugangsbarrieren wirken. Auch die „intellektuellen Artikulations-, Selektions- und Evaluationsfähigkeiten“ werden als Voraussetzung für die „Teilhabe an netzgestützten diskursiven Lernangeboten betrachtet (ebd., S. 74).

IV. Anwendungen des Web 2.0

Im Folgenden werden verschiedene Nutzungswege gewählt, um die politische Bildungsarbeit der Partei durch Online-Anwendungen zu unterstützen. Im Sinne eines Blended Learning

a) Wissens- und Zeitmanagement im Web 2.0

Verschiedene Anwendungen können Dir dabei helfen, Deine politische Bildungsarbeit effektiver zu gestalten. Insbesondere wenn Du eigene Wissenszugänge brauchst, aber auch bei der zeitlichen Organisation der Parteiarbeit kann das Web 2.0. mit seinen kostenlos verfügbaren Anwendungen helfen.

Doodle zur Terminkoordination und einfache Umfragen

Unter www.doodle.com kannst du Termine mit einer Projektgruppe oder Deinem Ortsverein koordinieren. Damit ersparst Du dir langwieriges hin- und herspielen verschiedener Terminvorschläge zwischen den TeilnehmerInnen deiner Projektgruppe. Einfach verschiedene Termine vorschlagen, Link an die Teilnehmenden schicken und diese tragen sich dann dort ein, wann sie Zeit haben. Übersichtlicher geht es nicht mehr.

Du kannst aber auch eine einfache Umfrage mit Doodle starten. In dem Du verschiedene Optionen vorgibst, zum Beispiel ob der nächste Infostand besser am Supermarkt oder vor dem Kindergarten stattfinden soll. Die Mehrheit kann entscheiden und es erspart Dir und Euch eine zusätzliche Sitzung.

Nutzbar ist diese Anwendung auch, wenn Du im Vorfeld eines Workshops die Teilnehmenden in verschiedene Arbeitsgruppen einteilen willst. Ziel könnte es da zum Beispiel sein, dass sich die Teilnehmehenden im Vorfeld inhaltlich bereits vorbereiten. Erstelle dazu eine Umfrage und trage bei den Optionen die Titel der einzelnen Workshop-Themen ein. Geht es zum Beispiel um einen Workshop zur Geschichte der Arbeiterbewegung, könnten die einzelnen Arbeitsbereiche lauten: die Rolle der Jugend in der Arbeiterbewegung, Arbeiterlieder sowie Gewerkschaften und SPD. Die TeilnehmerInnen des Workshops können dann im Vorfeld schon eine Präferenz festlegen und du weißt als Seminarleitung, was dich erwartet. Gleichzeitig wissen die TeilnehmerInnen worauf sie sich inhaltlich einstellen können. Im Kommentarfeld ist dann auch noch Platz für weitere Vorschläge, wenn die vorgeschlagenen Optionen nicht bei allen auf Interesse stoßen.

Brainstorming mit Online-Mind-Maps

Projekte leben davon, dass sie über einen zeitlich begrenzten Zeitraum ein bestimmtes Ziel verfolgen. Dies könnte zum Beispiel lauten: Durchführung eines Neumitgliederseminars für den Ortsverein. In deinem Ortsverein finden sich 3 bis 4 Leute, die sich diesem Thema widmen wollen – für zusätzliche Sitzungen haben sie aber keine Zeit. Über Werkzeuge der Online-Kollaboration könnt Ihr Euch auch einen zusätzlichen Termin sparen. Ideen sammeln geht online nämlich ganz einfach.

Mit den Anwendungen www.mindmeister.de (deutsch, bis zu drei Mind Maps kostenlos) oder www.xmind.net (englisch, auch als Desktop-Anwendung verfügbar) kannst du Online eine Mind Map anlegen und andere Nutzer dazu einladen, diese Mind Map mit Inhalten zu füllen. Das Interessante daran, du kannst die Mind Map für den späteren Gebrauch auch exportieren und zum Beispiel in einer Sitzung als Vorlage kopieren. Dann wissen auch die anderen, welche Ideen ihr für das Neumitgliederseminar gesammelt hat. Ihr könnt das Brainstorming aber auch nutzen, um den Ablauf des Seminars zu planen, Aufgaben zu verteilen und so weiter.

Online-Mind-Maps kannst Du auch nutzen, um ein Wahlkampfprogramm zu schreiben oder Ideen für neue Veranstaltungen zu sammeln. Den Einsatzmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Alles was Du und deine Genossinnen und Genossen brauchen ist ein Account, den sie sich in dem Programm anlegen können. Du kannst die Map offen oder privat anlegen.

Prezi- Inhaltsorientierte Videos

Du hast ein interessantes Thema und willst es medial aufbereiten? Dann ist die Anwendung http://prezi.com das richtige für Dich. Im Grund handelt es sich um eine virtuell erstelle Präsentation, die aber nicht wie gängige Desktop-Anwendungen Seite für Seite vor geht, sondern die dein persönliches Mindmap in einen Vortrag umwandelt. Diese Anwendung ist etwas für Fortgeschrittene, aber mit den Einführungen (auf englisch), kannst Du sehr schnell lernen, wie’s geht. Prezis kannst du dazu nutzen, einen politischen Vortrag medial zu untermalen. Du kannst das ganze auch auf deiner Homepage einbinden. Auf der SPD-Plattform www.macht-bildung.de kannst Du dir anschauen, wie Prezis funktionieren. Sie wurden dazu genutzt, Vorträge auf Veranstaltungen zur Bildungspolitik medial zu untermauern.

a)Online-Schreibwerkstätten

„Kollaboratives Schreiben“ unter diesem Stichtwort finden sich eine Reihe von Online-Werkzeugen, die es Dir und Deiner Gliederung erlauben, gemeinsam Texte zeitgleich oder zeitversetzt online zu verfassen. Kollaborativ heißt aber nicht nur gemeinsam schreiben, sondern jeder darf auch Textteile von anderen abändern oder löschen. In der Schreibgemeinschaft haben alle die gleichen Rechte. Auf diesem Weg entstehen Texte, die das Wissen von jedem individuell einbringen.

Etherpad

Unter http://ietherpad.com/ kannst du ganz einfach ein Schreibprojekt anlegen. Die Seite ist zwar in englischer Sprache, du kannst aber selbstverständlich deutschsprachige Projekte damit umsetzen. Willst Du zum Beispiel Jugendliche in deiner Stadt zusammen bringen, einen jungedorientierten Stadtführer zu schreiben, bietet sich diese Instrument an, alle Interessenten an einen virtuellen Tisch zu bringen und gemeinsam ihre Ideen schriftlich festzuhalten. Der Zugang ist einfach und du brauchst für ein sogenanntes öffentliches „Pad“ keinen Account anzulegen.

Für eine sicheres Pad, brauchst du dagegen einen Zugang. Der Vorteil daran ist, du kannst eine eigene Internetadresse anlegen, die beispielsweise im Titel den Namen deines Projektes trägt, zum Beispiel junge-stadt.ietherpad.com Lege eine öffentliche Etherpad an. Dann erhälst du einen Link und kannst den Deinen TeilnehmerInnen mailen. So einfach es auch klingt, es gibt dennoch eine Reihe von Regeln, die Du auf der Innternetseite der Bundeszentrale für politische Bildung unter http://pb21.de/2010/11/kollaboratives-schreiben-ii-etherpad/ nachlesen kannst.

Wikis

Mit Hilfe von http://www.wikispaces.com/ kannst du langfristige Projekte begleiten. Auf Wikispaces kannst du zum Beispiel ein eigenes Wiki anlegen, das von Dir und einem weiteren Teamleiter für einen Workshop genutzt wird. Du kannst dort Dokumente und Fotos ablegen oder Tabellen erstellen. Programmierkenntnisse brauchst du keine, die Editierwerkzeuge sind sehr einfach zu nutzen. Gleichzeitiges Arbeiten wie bei Etherpad ist nicht möglich, aber aufgrund des langfristigen Charakters einer Wiki-Schreibwerkstatt auch nicht notwendig.

b) Politische Bildung in sozialen Netzwerken

Facebook, Twitter und Google + sind die größten sozialen Netzwerke. Diese können verschieden eingesetzt werden und für politische Bildung genutzt werden.

Facebook

Facebook erleichtert dir den Kontakt zu Genossinnen und Genossen auf aller Welt. Mit einem kurzen Klick, kannst du Dich mit Frauenrechtlerinnen in der Parti Socialiste oder den Umweltaktivisten in Japan vernetzen. Du erhälst damit schnelle Zugänge zu Informationen, die du über die klassischen Informationswege wie zum Beispiele Zeitungen nicht realisieren kannst. Wichtig ist zu wissen, dass Beiträge und Kommentare von deinen Facebook-Freunden immer eine subjektive Sicht der Dinge darstellen und vor dem Hintergrund solltest Du sie auch bewerten. Du selbst kannst Facebook dazu nutzen, um Deine Freunde zu einer Veranstaltung einzuladen, ein Kommentar zu schreiben oder einen Link, Videos oder Fotos zu posten. Facebook kann sehr gut zur Öffentlichkeitsarbeit genutzt werden. Lege für deinen Workshop, den Du planst, eine Fanseite oder eine Veranstaltung an. Interessierte können sich dort einfinden und ihre Meinungen posten. Du selbst kannst darüber auch Informationen zum Ablauf geben oder im Nachgang zu deiner Bildungsveranstaltung noch wichtige Infos geben, die für den Transfer des Workshops wichtig sind.

Über Facebook lassen sich in deiner Community, also in deinem Freundeskreis, auch politische Diskussionen anstoßen. Warum nicht das aktuelle Wahlprogramm deines Landesverbandes dort mal einstellen und Meinungen dazu sammeln. Hierüber kannst du neue Ideen sammeln, neue Sichtweise erhalten. Du kannst auch Nachrichten verschicken an mehrere Absender gleichzeitig und so auch einen Blick die Antworten sehen.

Twitter

Über Twitter kannst Du eigene Ideen weitertragen. Es kann zu deinem persönlichen Nachrichtenkanal werden oder auch über die Arbeit deiner Gliederung informieren. Über Twitter kannst du Botschaften mit 140 Zeichen absetzen. Du erhälst in Echtzeit auch Informationen von Deinen Kontakten. Deine Follower – Menschen, die Infos von Dir wollen – kannst du sehr schnell mit Neuigkeiten bedienen. Aber du kannst auch anderen Menschen und Institutionen folgen (Following) und so von ihnen auf kurzem Dienstweg Informationen erhalten.  

Zum Nachlesen

http://pb21.de/ - Die Internetplattform zur politischen Bildung im Web 2.0 der Bundeszentrale für politische Bildung und des DGB-Bildungswerks.

Becker, H.; Krüger Thomas (2009): Weiterbildung und Politik. In: Tippelt, R.,Hippel, A. (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Wiesbaden, S. 635–651.

Busemann, K.; Gscheidle, C. (2009): Web 2.0: Communities bei jungen Nutzern beliebt. In: Media Perspektiven, 2009/7, S. 356–364.

Jelich, F.-J. (2003): Kommunikationsraum Internet - ein Ort für politische Bildung? In: REPORT- Literatur- und Forschungsreport, 2003/1, S. 74–82.

Sander, W. (2010): Politische Bildung. In: Arnold, R. ,Nolda, S. ,Nuissl, E. (Hrsg.): Wörterbuch Erwachsenenbildung. Bad Heilbrunn, S. 240–241.

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